Gravity (2013)

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Agent K
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Gravity (2013)

Beitrag von Agent K » Freitag 28. Februar 2014, 18:57

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Nicht nur die Erdoberfläche wurde von der Menschheit kontinuierlich eingesaut und vergiftet, auch die untere Atmosphäre wurde mit Treibhausgasen erwärmt und die Ozonschicht durch Fluorchlorkohlenwasserstoffe durchlöchert. Und im angrenzenden Stockwerk, dem erdnahen Orbit (LEO), tummeln sich mittlerweile immer mehr Überbleibsel vergangener Missionen ins All. Ausgebrannte Raketenoberstufen, "tote" Satelliten, Kollisions-/Explosionstrümmer, verlorenes Werkzeug... Weltraumschrott! Die Relativgeschwindigkeiten dieser Trümmer bewegt sich in einer Größenordnung von 10-25 km/s (zum Vergleich: Die Mündungsgeschwindigkeit des Projektils eines Leopard 2 Panzers beträgt gerade mal 1.750 m/s). Damit erreicht selbst eine normale Schraube oder gar ein simpler Hammer beängstigende kinetische Energien und Zerstörungskraft. Die Zahl der Trümmer mit einer Größe von mehr als 1cm wird mittlerweile auf über 650.000 geschätzt (allerdings verteilt auf ein riesiges Volumen). Und dieses für die Raumfahrt immer dringlicher werdenden Problem wählt Alfonso Cuarón als Exposition für seinen Film GRAVITY, denn hier wird das Space Shuttle "Explorer“ (ein Shuttle dieses Namens hat nie existiert) bei Reparaturen am Hubble-Weltraumteleskop durch eben solchen Weltraumschrott schwer beschädigt...

Und das Ergebnis kann sich auf jeden Fall sehen lassen. Ton, Optik, und Score sind schlichtweg spektakulär und absolut harmonisch. Noch nie "fühlte" sich das Weltall derart echt und realistisch an... zumindest für einen Couch Potatoe. Die Darstellung der Schwerelosigkeit an Bord der ISS (ganz ohne Parabelflüge), all die Reflektionen auf den Helmen (deren Gläser nicht existierten und komplett im Rechner generiert wurden), und natürlich die beinahe endlos wirkenden FX-(Long-)Shots ohne erkennbare Schnitte, für deren Realisierung nicht nur Kompanien von Prozessoren, sondern auch Legionen von Animatoren und SFX-Spezialisten hart schwitzen mussten. Das ist nicht nur "State of the Art", sondern geradezu innovativ und stilbildend. Und für den SFX-Oscar dürfte dieses Jahr keine ernsthafte Konkurrenz zu befürchten sein...

Im Gegensatz zur perfekten Optik werden die physikalischen Grundlagen leider nicht ganz so akribisch umgesetzt. Dass hier der erdnahe Orbit mit Hubble, ISS, und Tiangong (und deren unterschiedliche Bahnen), scheinbar auf die größe einer irdischen Großstadt reduziert wird, wo man eben mit dem Fahrrad ans andere Ende fährt, wenn man die U-Bahn verpasst hat, ist geschenkt. Und Wenn Stone da in "Walle•E"-Manier durchs All "düst", dann kann man das problemlos als "künstlerische Freiheit" im Dienste der Dramaturgie akzeptieren. Was mich etwas geärgert hat, war allerdings das
Spoiler
Ableben von Kowalski. Das ist aus physikalischer Sicht nicht nur Blödsinn (da existiert schlichtweg keine Kraft, die Stone und Kowalski "auseinander zieht"), sondern es wiederholt ein mittlerweile lahmes Aufopferungs-Klischee, das in diversen Bergsteigerfilmen schon zu oft vorexerziert wurde. Im Kontext einer absolut lebensfeindlichen Umgebung, in der man ohne funktionierendes Environment keinerlei Überlebenschance hat, hätte man Kowalski da auch glaubhafter und würdiger "entsorgen" können...
Auch mir war die Action insgesamt schon fast etwas zu viel und zu sehr auf "Achterbahn" getrimmt. Die Ereignisse um Tiangong waren beinahe redundant (mal abgesehen davon, dass mich schon taiwanesisch-deutsche Bedienungsanleitungen für einen simplen Radiowecker teilweise überfordern, wollte ich keine chinesische Shenzhou-Kapsel landen), das hätte man zugunsten einiger ruhigeren Momente auch ganz weglassen können. Und irgendwie wird durch die ganzen Kapriolen auch die gnadenlose Lebensfeindlichkeit des Weltalls verniedlicht, und damit teilweise die Botschaft des Filmes negiert. Und so sehr der wunderbar "außerirdische" Score von Steven Price mit den Bildern harmoniert, so hätte ich mir auch da ein paar "absolut stille" Momente mehr gewünscht. Seit ALIEN weiß man, dass dich "im Weltall niemand schreien hört". Mir ist auch klar, dass sich die akkurate Laulosigkeit eines 2001 schwerlich auf einen Actionfilm übertragen lässt, aber wenn Stone von der Ruhe des Weltalls schwärmt, dann hat sie wohl einen anderen Film gesehen als ich, denn bis auf ganz wenige Momente wird der komplette Film entweder durch Dialoge, Selbstgespräche, Atmen, oder eben durch den Score - so schön er auch ist - zugekleistert. Da wäre etwas weniger mehr gewesen...

Im oft gezogenen Vergleich mit ALL IST LOST wollte ich keinen der beiden Filme favorisieren. Beide Filme brillieren mit einer beinahe schon archaischen One-Man/Woman-Show als Kontrapunkt zum gängigem Mainstream. Und sie sind dennoch sauspannend. Also auch hier 9/10...

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